Legenden verzichten auf ein biographisches Verständnis einer Person und konzentrieren sich ganz bewusst auf die wenigen Momente, wo sich der Himmel über einem Menschen öffnete, um die Welt wieder mit Gott zu verbinden.
Die Legende berichtet, der Selige Gezelinus von Schlebusch, ein Schafhirte des Klosters Altenberg, habe während einer langen Dürrezeit diese Quelle im Jahre 1235 mit seinem Hirtenstab zum Sprudeln gebracht. Von diesem Jahr wird später zu berichten sein, dass der Rhein kein Wasser führte und man auf dem Weg nach Aachen trockenen Fußes durch das Flussbett gehen konnte. Bäche und Brunnen waren versiegt. Im Bergischen Land und im Rheintal waren solche Dürrezeiten keine Seltenheit. In ihrer Not wandten sich die Menschen an Gezelinus, er möge bei Gott für sie um Wasser bitten. Das Wunder geschah und auf sein Gebet sprudelte eine Quelle überreich aus der Erde hervor.
Schnell entwickelte sich hier ein Wallfahrtsort, zu dem nicht nur Menschen aus dem ganzen Bergischen Land, sondern sogar aus dem mit Heiligen-Reliquien vollgestopften Köln pilgerten, um gesund zu werden.
Unsere Vorfahren brachten dem Gezelinus eine innige Verehrung entgegen, die bis in die heutige Zeit zu beobachten ist. Sein Gedenktag ist der 6. August. Seine Verehrung wirft Fragen auf. Gezelinus, der demütige Klosterbruder, war kein Märtyrer, kein Heiliger oder Gelehrter, wie sie im benachbarten Köln weitaus zahlreicher zu finden waren. Warum wurde gerade er von der Bevölkerung zur „Kultfigur“ erhoben? Seine einfache Lebensart wurde zum Symbol einer intensiven Lebensführung, die sich vollständig unter die Fügung Gottes stellte. Auch die vermeintlich unbedeutenden, die alltäglichen Fertigkeiten und Talente, können wir ganz in den Dienst Gottes stellen. Diese mögen uns oft als bedauerlich gering und gewöhnlich erscheinen, doch ist dies der erste Schritt auf dem Weg zum wahren Heiligen. Denn letzlich soll alles in Gott verherrlicht werden. Die Heiligen und Seligen sind damit immer ein Zeichen der Gegenwart Gottes unter den Menschen.
Die Legende des Gezelinus entzieht sich daher dem verstandesmäßigen Begreifen, dem Interesse des Intellekts an Daten und Fakten. Wir wissen nur sehr wenig über das Leben dieses Seligen. Im Jahre 1640 gab der Schlebuschrather Pfarrer Bartholomäus Crämer zu Protokoll, dass es über Gezelin (auch Gozelin oder Jhoselinus) keine Zeugnisse gibt außer einer Quelle, einem Altar und seinem Grab sowie zahlreiche Wallfahrten dorthin.
Ein altes Pilgergebetbuch überliefert ein Lied zum „Heimat-Seligen“ Gezelinus:
Bitte, dass mich Gottes Gnad
leite auf der Tugend Pfad,
seliger Gezelinus!
Bringe Trost in Traurigkeit,
hilf in Widerwärtigkeit,
seliger Gezelinus.
Segne Frucht und Ackerland,
schütz vor Wasserflut und Brand!
Seliger Gezelinus!
Halte fern der Teurung Not,
Krankheit, Krieg und bösen Tod,
seliger Gezelinus!
Steh ich an des Todes Rand,
o, so reich mir deine Hand:
seliger Gezelinus!
Schütze mich im letzten Streit,
führe mich zur Seligkeit,
seliger Gezelinus!
Auf die Fürbitte des Gezelinus geschahen viele Wunder. Die Engel waren ihm zu Diensten. Gezelinus, der ein glühender Verehrer der Gottesmutter Maria war, hatte die starke Sehnsucht, ihr berühmtes Gnadenbild in Aachen zu besuchen. Leider wusste er niemanden, dem er während seiner Abwesenheit seine Herde anvertrauen konnte. Schließlich befahl er die Herde Jesus Christus selbst und pilgerte nach Aachen, wo er die Gottesmutter inniglich verehrte. Maria erhörte sein Gebet und setzte an seiner Stelle einen Engel ein, welcher dem Gezelinus so sehr glich, dass die Nachbarn glaubten, Gezelinus selbst sei vor Ort, um das Vieh zu weiden.
Alte Urkunden belegen, dass auf dem Standort der heutigen Kapelle schon vor dem Dreißigjährigen Krieg ein kleines Gotteshaus stand, das in den Kriegswirren zerstört wurde. Es soll aber auch Hinweise darauf geben, dass die Quelle schon in vorchristlicher Zeit von den Germanen als Heilquelle genutzt wurde. Sicher ist: Die heutige Kapelle, in der sich die Quelle genau unter dem Altar befindet, wurde im Jahre 1868 auf den Grundmauern einer alten, wegen Baufälligkeit abgerissenen Kapelle, neu errichtet.
Weil Erd-Bauarbeiten in den 1950er Jahren den natürlichen Fluss der Quelle zerstörten, wird das Wasser heute, zu bestimmten Stunden des Tages, auf Knopfdruck per Pumpe nach oben befördert. Und immer noch kommen aus der ganzen Umgebung viele Menschen hierher, um sich in Flaschen und Kanistern das wohlschmeckende Wasser mit nach Hause zu nehmen. Das Wasser soll bei Augenleiden und Kopfschmerzen Abhilfe schaffen.
Öffnungszeiten der Quelle:
Täglich von 8.30- 11.00 Uhr und von 13.00-18.30 Uhr, freitags ab 9.15 Uhr.
Die kleine Kapelle ist nur für Gottesdienste geöffnet. Zu allen anderen Zeiten kann lediglich ein kleiner Vorraum betreten werden, der einen Blick in das Innere der Kapelle erlaubt.
Die Gezelinkapelle war über viele Jahrhunderte bis in die jüngste Vergangenheit Ziel frommer Wallfahrt. Die Pilger kamen aus der Umgebung, dem Bergischen Land und sogar vom Niederrhein. Für Pilger, die den Weg nicht kannten, richtete der Deutsche Orden eine Prozession ein, die alljährlich von der Ordenskirche St. Katharina in Köln ausging. Wie die Feier um 1900 verlief, schildert Domkapitular Arnold Steffensens im Pastoralblatt der Erzdiözese Köln, 1904, Nr. 8.
„Eigenartig schön ist die Feier des Festes des seligen Gezelinus in der Waldkapelle bei Schlebusch. (…) Schattiger Hochwald umgibt das liebliche Heiligtum, welches die Menge der Andächtigen nicht zu fassen vermag; an einem mächtigen Baumstamm wird die Kanzel aufgerichtet, und nach uralter Sitte lauscht hier im dunkelnden Hain die fromme Schar der Verkündigung des Wortes Gottes, und geheimnisvoll erklingt in des Waldes Einsamkeit das Beten und Singen der Waller.“
Ein intensiv gelebtes Leben hinterlässt seine Spuren an jedem Ort. Es kommt nicht darauf an, was wir konkret tun, sondern welche übergeordnete Bedeutung wir unserem Tun beimessen. Die Heiligen und Seligen können uns immer wieder inspirieren, uns unseren Lebensaufgaben und Überzeugungen vollständig hinzugeben. Denn als Mensch führt unser Weg zu Gott über das ganz praktische Wirken in der Welt.
Gewässer, Kirchen