Brot und Rosen
„Du brauchst aus deinem Leben kein Programm zu machen.
Du bist wandelbar. Sieh das Jetzt und das Heute. Verändere, was du kannst.
Überlasse Gott, was du nicht verändern kannst.“
Elisabeth von Thüringen
Vermutlich gehört die Vorstellung, dass der Mensch die Natur auf Dauer zerstören könnte, zu den größten Irrtümern der aktuellen Menschheitsgeschichte. Wesentlich irriger ist jedoch die Vorstellung, dass der Mensch in der Lage sei, die Natur zu heilen. Wäre dies der Fall, wäre nichts Großartiges, nichts Göttliches in der Natur zu finden. Die Natur ist ein perfekt aufeinander abgestimmtes System, in dem alles zum Wohle aller miteinander kommuniziert und in Verbindung steht.
Jeder Ort hat eine eigene Bewusstheit und diese folgt zu jeder Zeit dem Wohl und dem Willen des großen Ganzen. Was könnte also besonders sein an einem Schlosspark unweit von Köln? Der Schlosspark Türnich ist ein ehemaliger Kraftort, dessen Reiz gerade darin liegt, dass die einst starken Naturkräfte diesen Ort schon längst verlassen haben. Zurück bleibt das, was Mensch und Natur einst gemeinsam erschaffen haben- eine entweihte Kathedrale, die nach einer neuen Gestaltung und Möglichkeiten ihrer Nutzung sucht.
Die Pflege dieses Ortes als Heiligtum oder Kuturort ist erforderlich. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich der Ort zu einem energetischen Vakuum entwickelt, der die Kräfte seiner Umgebung raubt und zu erheblichen energetischen Dysbalancen beitragen kann.
Zum Glück gibt es ein großes Engagement zur lebendigen Neugestaltung dieses Parks. Er bietet ausreichend Freiraum für gestalterische Möglichkeiten. Seine zahlreichen Besucher bringen die ehemalige Lebendigkeit zurück. Wird ein solcher Kraftort einer zeitgemäßen Nutzung und Pflege zuteil, kann er das Energienieveau der gesamten Umgebung erhöhen. Die hier lebenden Menschen werden unweigerlich von der Kraft dieses Ortes profitieren.
Die Lindenallee aus 111 Linden bildet das Dach einer natürlichen gothischen Kathedrale, wie unsere Vorfahren diese noch kannten. Gothische Kirchen sind letztlich versteinerte Wälder, der Versuch einer Ermöglichung der ehemals erlebbaren Gotteserfahrung in natürlichen Hainen oder Wäldern.
Die Quersumme der Zahl 111 steht symbolisch für die Dreieinigkeit. Sie steht zugleich für die Zahl 12 und für alle damit verbundenen Symboliken, insbesondere für den Tierkreis sowie als Sinnbild für die vollkommene Gemeinschaft.
Von der Lindenallee gelangt man zum Lindenkranz, eine im Kreis gestaltete Anpflanzung von 7 Linden. Die Zahl 7 steht für das Leben in der Welt, die Schöpfungs- und Wochentage sowie für die Anzahl der ehemals bekannten Planeten.
Die 7 steht zudem für 4+3. Die vier steht dabei u.a. für die vier Himmelsrichtungen, die vier Elemente und damit für alle materiellen Dinge, einschließlich des Körpers. Die Zahl 4 wird auch durch das Kreuz symbolisiert und ist damit immer ein Symbol für das menschliche Leben. Während die Zahl drei für die dreifaltige Natur der Seele steht, die nach dem Vorbild des dreifaltigen Gott geschaffen ist.
Vier der kreisbildenden Bäume des Lindenkranzes weisen eine Zwieselung auf, das heißt, sie bilden in einer gewissen Höhe einen Doppelstamm. Zählt man die Baumstämme unter Hinzurechnung der Zwieselungen, ergibt sich die Zahl 11. Die Zahl 11 ist die Zahl des (individuellen) menschlichen Lebens, da der Mensch allein die Zahl 12 im Sinne der vollkommenen Gemeinschaft nicht erreichen kann.
Die perfekte Kreisschließung des Kranzes zum Himmel hin macht diesen Ort bis heute zum perfekten Seelentor.
Schräg gegenüber vom
Lindenkranz befindet sich ein neu angelegtes Labyrinth nach kretischem Vorbild. Sein Zentrum bildet eine Kiefer, die im gleichen Abstand von zwei weiteren ca. gleich alten Kiefern steht. Erneut wiederholt sich hier die Symbolik der Dreifaltigkeit.
Das Labyrinth ist ein altes Schutzsymbol, das in zahlreichen Kulturen bekannt ist. Erst nach langen Wegen der Läuterung kann der Suchende sich im Innern mit dem Göttlichen verbinden. Dies dient seinem Schutz sowie der Reinhaltung der Mitte. Auf seinem Rückweg bringt der Erwachte den Menschen seine Erkenntisse als Licht und Lehre mit, damit diese auf ihrem Weg schneller voranschreiten können.
Die eindrucksvolle Kapelle des Schlosses ist der heiligen Elisabeth von Thüringen geweiht. Diese war für ihre Mildtätigkeit bekannt und vor allem für die Tatsache, dass sie regelmäßig Brot zu den Armen der Stadt brachte. Glaubt man der Legende, soll diese Verteilungsmentalität ihrer Familie ein Dorn im Auge gewesen sein. Als man sie auf frischer Tat ertappt zu haben glaubte, sollte sie ihren Brotkorb öffnen. Doch statt des Brotes war der Korb voller Rosen.
Wunder und Geheimnisse sind letzlich nichts unerklärbares. Es sind lediglich Vorgänge, die wir noch nicht verstehen und denen wir daher keinen Einlass in die Wirklichkeit unseres Denkens erlauben. Tatsächlich sind sie immer das schlüssige Ergebnis von gelebter Liebe.
Ich sehe dich in tausend Bildern, Maria lieblich ausgedrückt
Doch keins von allen kann dich schildern, wie meine Seele dich erblick.
Ich weiß nur, dass der Welt Getümmel seitdem mir wie ein Traum verweht,
und ein unnennbar süßer Himmel mir ewig im Gemüte steht.
(Novalis)
Ein echtes Kleinod im Ruhrgebiet ist der Kräutergarten der Klinik Blankenstein. Zwei mächtige Blutbuchen bewachen den geheimnisvoll anmutenden Eingang des Gartens hinter der Klinik. Obwohl es sich um einen Lehrgarten handelt, ist dieser von einer unberührten Lichtigkeit geprägt, die sich wie ein heilender Mantel um seine Besucher legt. Die Lourdesgrotte im Zentrum des Gartens ist Sinnbild für das gesamte Gelände. Die Energie der Maria bot seit je her Zuflucht für die Außgestoßenen und Randgruppen der Gesellschaft. Hier ist ihre heilende Energie erfahrbar.
„Maria, breit den Mantel aus,
mach Schirm und Schild für uns daraus;
laß uns darunter sicher stehn,
bis alle Stürm vorübergehn.
Patronin voller Güte,
uns allezeit behüte.“
„In der Natur erklingt die Musik des Lebens in ungestörter Harmonie. Dein eigener Organismus gerät in Resonanz mit dieser gesunden Grundschwingung. Nirgendwo heilst du schneller als in der Natur.“
(Safi Nidiaye)
Der Garten der Dichter und Gelehrten
Ein Zugang zum Verständnis dieses Kleinods eröffnet die „Sage vom Pfirsichblütenquell“, die von dem berühmten chinesischen Dichter Tao Yuan Ming (365-427) stammt. Darin gelangt ein Fischer durch Zufall in die Felslandschaft des Pfirsichblütenquells. Bei dieser handelt es sich um eine ideale Welt, in der die Menschen ein zufriedenes und glückliches Leben führen.
Man weiß nicht, ob später noch jemand den Wegweisern des zurückgekehrten Fischers gefolgt ist, um in dieses paradiesische Land zu gelangen und heute fragt schon niemand mehr nach dem Weg dorthin.
Über zahlreiche liebevolle Details entfaltet sich vor dem Betrachter ein immer wieder neu wahrzunehmendes Kunstwerk. In den Mauern dieses Gartens erahnt man, was der verirrte Fischer im Land des Pfirsichblütenquells einst erlebt haben muss.
Chinesische Gärten sind das Ergebnis einer Verschmelzung von Architektur, Malerei, Literatur, Dramatik, Kalligraphie und Bildhauerei, wodurch eine Welt vollkommener Schönheit nach paradiesischem Vorbild nachgebildet wird.
Im Urbild des Schöpfers war der Mensch einst Hüter des paradiesischen Gartens. Kein Tier konnte ihm etwas anhaben. Viel ist seitdem geschehen, dass selbst kleinste Lebewesen dem Menschen heute ernsthaft schaden können. In diesem Garten erahnt der Betrachter seine längst vergessene Rolle im Schöpfungsakt.
Zur Zeit Tai Yüan des Hauses Dsin, da lebte
Ein Mann in Wuling, der vom Fischfang sich ernährte.
Einst fuhr flußauf er.
Er vergaß, wie weit er schon gefahren.
Da fand er plötzlich einen Pfirsichblütenhain
Das Ufer viele hundert Schritt umsäumend.
Dazwischen stand kein anderer Baum,
Nur Duftgras, frisch und schön,
In das sich Blütenblätter niederstreuten.
Der Fischer war darüber sehr erstaunt.
Er fuhr noch weiter, um des Haines Ende zu erreichen;
Der Hain ging bis zum Quell des Bachs.
Da stand ein Berg.
Und in den Berg, da ging ein kleiner Gang.
Draus schimmerte es hell hervor.
Er ließ sein Boot zurück und trat hinein.
Anfangs war es sehr eng,
Daß grad ein Einzelner hindurchkam.
Doch als er wenig Schritte vorwärts ging,
Da öffnete sich’s weit und licht.
Das Land war ausgedehnt und eben
Und viele schöne Häuser waren da.
Die Felder waren gut,
Und zwischen schönen Wasserflächen
Standen Maulbeersträucher
Und Bambuspflanzen aller Art.
Viel Pfade kreuzten sich,
Und aus den Dörfern klang
Der Hähne Krähen und der Hunde Bellen:
Und Menschen liefen hin und her und säten aus.
Männer und Frauen trugen Kleider
Ganz wie draußen in der Welt,
Greise im weißen Haar und Kinder mit ihren Zöpfchen:
Alle waren glücklich und zufrieden.
Als sie den Fischer sahen,
Da wunderten sie sich.
Sie fragten ihn, woher er komme. Er erzählte alles.
Da nahmen sie ihn mit sich heim, und setzten Wein ihm vor
Und schlachteten zum Mahle Hühner.
Als man im Dorfe von dem Mann vernahm,
Da kamen alle her und fragten.
Sie selbst erzählten:
Vor alter Zeit, als Tsin Schi Huang
Das Land in Unruh’ stürzte,
Da seien ihre Väter
Mit Weib und Kind und allen Nachbarsleuten
In dieses ferne Tal gekommen,
Seitdem sei niemand wieder je hinausgegangen,
So haben sie sich von der Außenwelt getrennt.
Sie fragten, wer jetzt König sei.
Sie wußten nichts vom Hause Han,
Zu schweigen von den Dynastieen We und Dsin.
Der Mann erzählte ihnen alles, was er wußte.
Und alle hörten ihm verwundert zu.
Nun wollten alle ihn einmal bei sich zu Gaste haben,
Und alle setzten Wein und Speisen zur Bewirtung vor.
So blieb er ein paar Tage da,
Dann nahm er Abschied.
Die Leute in dem Lande sagten noch,
Es sei wohl nicht der Mühe wert,
Den Menschen draußen davon zu erzählen.
Als er herauskam, fand er auch sein Schiff noch vor
Und ruderte den Weg zurück.
Von Ort zu Ort behielt er alles im Gedächtnis.
Als er den Heimatort erreicht,
Ging zum Beamten er, ihm alles zu erzählen.
Der sandte Leute, mit ihm hinzugehen.
Er suchte nach den Zeichen, die er sich gemerkt.
Dabei verwirrten sie sich bald
Und haben jenen Weg nicht wieder aufgefunden.
In Nanyang lebte später Liu Dsï Ki.
Der war ein tüchtiger Mann.
Als er von der Geschichte hörte,
Da machte er sich frischen Mutes auf.
Doch eh er hinkam, ward er krank und starb.
Seither hat niemand nach dem Weg gefragt. –